Leben im nationalsozialistischen Deutschland
Geboren am 10. März 1873 in Fürth
Gestorben am 1.Januar 1934 in Altaussee
In den Zwanziger und Dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zählte Jakob Wassermann zu den meistgelesenen deutschen Autoren. Zu Lebzeiten war er berühmter und erfolgreicher als manch anderer Autor, dessen Name heute vielleicht weniger in Vergessenheit geraten ist als der Wassermanns.
Jakob Wassermann ist ein Autor, den es lohnt wiederzuentdecken. Seine Romane lesen sich heute genau wie zur Zeit ihres ersten Erscheinens: spannend, aufrüttelnd und fesselnd. Sie haben an Aktualität und Relevanz nichts eingebüßt.
Geboren im fränkischen Fürth
Jakob Wassermann (eigentlich: Karl Jakob Wassermann) wurde am 10. März 1873 im fränkischen Fürth geboren. Sein Vater war der jüdische Spielwarenfabrikant Adolf Wassermann, seine Mutter Henriette eine bewunderte Schönheit. Sie verstarb 1882; der Vater heiratete 1883 ein zweites Mal, so daß Jakob Wassermann mit einer lieblosen Stiefmutter aufwachsen mußte.
Nach dem Brand seiner Spielzeugfabrik schlug sich der Vater als Versicherungsagent durch.
Jakob Wassermann besuchte die Königlich-bayerische Realschule in Fürth. Seine erste Veröffentlichung im Fürther Tagblatt — Wassermann war 15 Jahre alt — führte zu schweren Konflikten mit den Eltern. Sie waren mit den literarischen Ambitionen des (Stief-)Sohnes durchaus nicht einverstanden.
1889 trat Wassermann eine kaufmännische Lehre in Wien bei seinem Onkel, dem Bruder seiner Mutter, an. Der Onkel lebte in kinderloser Ehe, und die Familie war stillschweigend übereingekommen, daß Jakob Wassermann ihm Sohn und Erbe werden sollte. Er wurde den Erwartungshaltungen des Onkels nicht gerecht; 1890 brach er die Lehre ab und trat seinen Wehrdienst in Würzburg an.
In seinen autobiographischen Schriften finden sich unzählige Hinweise darauf, wie steinig und steil sein Weg zum Ruhm war, welche Entbehrungen, Anfeindungen und Rückschläge er einstecken mußte.
In seiner Lebenserinnerung »Mein Weg als Deutscher und Jude« schreibt er beispielsweise: »Schwer und dunkel waren die Jahre des Werdens. Um von der Unbill und dem Gefühl erlittenen Unrechts nicht erdrückt zu werden, flüchtete ich mich gern in die Vorstellung, daß der Weltgeist für mich im stillen wirkte. Es war ziemlich wunderbar, daß ich an der kerkerhaften Wirklichkeit nicht zerschellte.«
1894 übersiedelte er nach München. Er wurde dort Sekretär beim »Simplicissimus«, später dann Lektor. In dieser Zeit machte er zahlreiche Bekanntschaften mit verschiedenen Autoren von Rang und Namen. 1896 erschien »Melusine – ein Liebesroman«. Seinen literarischen Durchbruch brachte dann 1897 der Roman »Die Juden von Zirndorf«.
1898 zog er nach Wien, wo er als Theaterkorrespondent der »Frankfurter Zeitung« sein Brot verdiente. Ein Jahr später schloß er Freundschaft mit dem Verleger Samuel Fischer.
Seine 1901 geschlossene erste Ehe mit Julie Speier, aus der vier Kinder hervorgingen, wurde 1926 wieder geschieden, denn 1915 hatte er Marta Stross kennengelernt, wegen der er sich 1919 von seiner ersten Frau trennte; die Scheidung zog sich in die Länge, und 1926 heiratete er dann Marta Stross.
Jakob Wassermann unternahm zahlreiche Auslandsreisen. Berichte darüber finden sich in seinem Buch »Lebensdienst«.
Seit 1924 litt Wassermann unter Herzbeschwerden und Diabetis.
Als jüdischer Autor wurde er 1933 verfemt, seine Bücher wurden verboten.
Jakob Wassermann verstarb am 1. Januar 1934.
Jakob Wassermann - Deutscher und Jude in der Nazizeit
Zeit seines Lebens prägte ihn das Spannungsfeld, Deutscher und Jude zugleich zu sein. Die religiöse Identität als Jude war für ihn weder in seiner Jugend noch im Verlauf seines weiteren Lebens von großer Bedeutung oder doch nur insofern, als er sich in seinem christlichen Umfeld als Außenseiter empfand. Das Gefühl der Fremdheit und des Andersseins als die anderen begleitete ihn durch sein ganzes Leben. Doch erst in seiner Militärzeit wurde er mit der vollen Härte des Antisemitismus konfrontiert.
Bereits in seiner Kindheit entwickelt er eine große »Lust zu fabulieren«. Ausgestattet mit einer reichen Phantasie, erfährt er in seiner Umgebung jedoch nur Ablehnung, denn sein Umfeld hält die Lust am Erzählen nur für reine »Tagedieberei«. Immerhin verschafft ihm seine kindliche Erzählkunst den Vorteil, seinen jüngeren Bruder durch spannende Fortsetzungsgeschichten davon abzuhalten, ihn bei der Stiefmutter anzuschwärzen.
Jakob Wassermanns Kindheit war geprägt von zahllosen teils unbewußten Ängsten: »Ich erinnere mich, daß ich in krankhafter Weise an Gespensterfurcht litt, an Menschenfurcht, an Dingfurcht, an Traumfurcht, daß in allem, was mich umgab, eine dunkle Bezauberungsmacht wirkte, stets unheilvoll, stets dem Verhängnis zugekehrt, stets darin bestärkt.«
Wassermann sah nicht so aus, wie Judenhasser sich einen Juden vorstellten. Wäre er zum Christentum konvertiert, hätte er sich manche Schwierigkeiten ersparen können. Doch Wassermann hat nie den Weg des geringsten Widerstandes gewählt.
Wie ein roter Faden zieht sich durch seine Romane die Anklage gegen »die Trägheit des Herzens«, gegen menschliche Gleichgültigkeit und Inhumanität, die er selbst als Deutscher jüdischer Abstammung schmerzhaft am eigenen Leibe gespürt hatte.
Wassermann sah das Schreiben in gewisser Weise als eine Art »Handwerk«, das durch Übung erlernt und vervollkommnet werden kann. Er verfügt über eine bemerkenswerte Sprachgewalt, die er in den Dienst seines Anliegens stellt, die Menschen zur Menschlichkeit aufzurufen. Seine Romane sind meisterhaft konzipiert und spannend aufgebaut. Heute so lesenswert wie am ersten Tag.