Katja Wolff
»Der Stein der Liebe«
Märchen
48 Seiten, Preis 7,00 €
ISBN 978-3-86672-047-3
Es war einmal eine Prinzessin, die lebte in einer bescheidenen Hütte, bewacht von sieben goldenen Löwen. Aus aller Herren Länder kamen die Prinzen und Könige herbei, um ihre Hand anzuhalten. Doch die Löwen scheuchten sie fort mit bösem Fauchen.
Eines Tages aber kam ein Prinz, der war klug und hatte sich als fahrender Musikant verkleidet, so dass die Löwen ihn nicht verscheuchten, denn sie hatten nur etwas gegen Könige und Prinzen. Musikanten dagegen liebten sie, und der verkleidete Prinz sang und spielte den Löwen etwas vor, dass sie schnurrten wie die Kätzchen. So gelangte der verkleidete Prinz zur Prinzessin in die bescheidene Hütte.
Als sie seiner ansichtig wurde, war ihr, als hätte ihr jemand von hinten in die Kniekehlen getreten. Sie musste sich setzen. Der Prinz aber begann zu singen, wie nie ein Mensch gesungen hat. Dann holte er aus seinem Rucksack eine Flasche Wasser, schloss die Augen zum Gebet, da wurde das Wasser zu Wein.
Sie tranken, schweigend, und die Prinzessin begriff, dass sie mit ihm gehen musste, wohin auch immer der Weg führte. Vorbei an den Löwen, machten sie sich auf den Weg durch den tiefen Wald. Sie wandelten Hand in Hand.
Schließlich kamen sie zu einem Berg, an dessen Fuß sich der Zugang zu einer Höhle befand. „Hier wachsen im Felsgestein wundertätige Karfunkelsteine, gesegnet von Gott dem Höchsten. Ich will dir einen holen, daraus der Goldschmied dir einen goldenen Ring zur Hochzeit machen soll“, sprach der Prinz. Und er verschwand in der Höhle.
Allein zurückgeblieben, ward der Prinzessin angstvoll zumute, und unerlaubt folgte sie dem Prinzen in die Höhle.
Da plötzlich ward Lärm und Feuer und Dampf.
Die Prinzessin erstarrte vor Schreck. Rote Funken stoben durch den gelblichen Schwefelnebel. Ein garstiges Knurren erfüllte die Höhle.
Der Prinz befand sich zwischen den monströsen Kiefern eines blutrünstigen Drachen. Die Prinzessin aber rief: „Nimm mich!“ Schlagartig ließ der Drache vom Prinzen ab, spie ihn zu Boden und näherte sich bedrohlich fauchend der Prinzessin. Schon sah die Prinzessin den offenen Schlund des Drachen vor sich, da begann der Prinz wundersam zu singen. Erst laut, dann immer leiser werdend, und je leiser der Prinz sang, desto kleiner wurde der Drache. Schließlich verstummte der Prinz, und aus dem Drachen war eine kleine Eidechse geworden.
Rasch brach der Prinz einen wundertätigen Karfunkelstein aus der Felswand, griff dann die zitternde Hand seiner Liebsten, und gemeinsam setzten sie ihren Weg durch den tiefen, finsteren Wald fort.
Als sie das Ende des Waldes erreicht hatten, bot sich ihnen ein schrecklicher Anblick. Im Licht der farbenprächtig untergehenden Sonne sahen sie ein seltsames Schauspiel: Zwei Riesen, die miteinander kämpften, die gnadenlos auf einander einprügelten, brüllend mit tiefen Stimmen, blutend an Stirnen und Händen. Und hinter jedem Riesen stand ein widerlicher Zwerg, hasserfüllt geifernd, der jeweils seinen Riesen anfeuerte, härter und ausdauernder zu kämpfen.