Umschlag Von Eiben und Linden

Calvin Kleemann
»Von Eiben und Linden«
120 Seiten, Preis 13,00 €
ISBN 978-3-86672-067-1

Prometheusfunken

Es gehen Prometheusfunken, Inspirationen
Im täglichen Mahlstrom des Alltags verloren Dem sich surrend im Kreis umwirbelnden Knoten Geschwür in den Venen der Kunst und der Zeit

Himmelweit schreien die mundlos gebundenen Flügel Gefesselter Dichter danach noch zu fliegen
Die Sonette unsortiert Abschiedsbriefe halb geschrieben

Nur der Mann im Mond sieht die Welt in Trümmern liegen

Aus der Tinte des Füllers wurde die Farbe genommen Und klebt geronnen an Händen
Ohne Zukunft und Halt

Poesie ist verwelkt
Nun hat das Leben begonnen Verschwommene Grenzen der Unnahbarkeit Hand in Hand, nur noch rationaler Künstlergeist Den Schritt getan, aber wie weit?

*

Kindheitsfreund

Irgendwo zwischen zwei Vom Rauch getrübten Augen Sehe ich noch die gleichen Blicke Die seit Stunden und seit Tagen Wochen, Monat und auch Jahren Tief hinter die meinen schauen

Irgendwo hinter den schwelgenden Hügeln Aus vor Stolz gemauerten Ziegeln Sehe ich diese harten Steine
Auf doch so weichem Herzen liegen Das still, betäubt, für sich allein Tabak durch die Venen pumpt

Irgendwo in den rissigen Lippen
Die nichtssagend am Whisky nippen Sprechen sie vor Schweigen bebend Trocken, den nächsten Schluck ersehnend Von vor alter Zeiten duftender Blüte Die der Wind der Zeit verwehte

Irgendwo neben deinem eigenen Schatten Sehe ich noch hinter den müden und matten Augen die so viel Feuer doch hatten Dich selbst als den Schatten Zwischen uns stehen

In bunt, vom Rauch vergilbten Welten
Sehe ich Kindheitsträume welken Davontreiben, als ob mir nichts bliebe
Der Herbst unseres Lebens wird wieder zur Wiege So sehe ich doch noch in der Türe
Den alt gewordenen Jungen stehen
Den ich wie einen Bruder liebe

*

Trockenküsse

Ich küsse dich, doch schmecke nichts.
Nichts von dem Wein, der doch fast so trocken War, wie deine grauen Küstenlippen Und doch niemals je so rot.

Wer hat diesen blassen Lippen ihren Honigsaft genommen?
Nektar und Ambrosia, die aus ihrer Fülle quollen.
Seit ich sie küsste, war mir die Lust auf Dattel und Pfirsich vergangen,
Nach jedem Tabak, der mir deine Süße nahm.
In von Rauch erstickten Träumen glimmt sich der alte Kuss durch brennendes Papier.

Bitte küss mich noch einmal.
Ich küsse dich, doch schmecke nichts.

Du schmecktest einst wie alle Früchte dieser Welt.
Ein leichter Bittermandelhauch benetzt mir meine Zunge nun.
Bisse machten aus den Lippen ein rot, blau, grün violettes Kussfarbenspiel. Sind es nun wirklich nur noch Taubenfederlippen, trockene Gewässer und Salz im nassgeliebten Mund?
Waren sie nicht Tulpenblüten?
Waren sie nicht Rosennebelschwärme?
Feuchte Sommergewitter?
Der Wein betäubt die Bitterkeit.

Bitte küss mich noch einmal.
Ich küsse dich, doch schmecke nichts.

Nun steche ich mich an deinen geöffneten Augen
Sie waren nie beim Kuss geöffnet.
Sind sie nicht schon schwer geworden?
Von Mohnblütenatemzügen blindgewacht und zugeküsst. Nass geleckt von einer Zunge, die das alte Feuer sucht.

Bitte küss mich nicht nochmal.

Ich küsste dich. Doch schmeckte nichts.