Wo ich bin, da ist Deutschland

Thomas MannGeboren am 6. Juni 1875 in Lübeck
Gestorben am 12. August 1955 in Zürich

Thomas Mann entstammte einer angesehenen Lübecker Patrizierfamilie. Er wurde am 6. Juni 1875 als zweiter Sohn des Kaufmanns und Senators Johann Heinrich Mann und seiner Frau Julia, geb. da Silva-Bruhns, die mütterlicherseits brasilianischer Abstammung war, geboren. Seine Kindheit war nach eigenem Bekunden »gehegt und glücklich«.

Im Alter von sechs Jahren verliert Thomas Mann den Vater. Die Firma des Vaters wird entsprechend seinen testamentarischen Verfügungen  liquidiert, und die Witwe und die Kinder leben von den Zinsen des angelegten Geldes. Thomas Mann besucht das Gymnasium in Lübeck und entwickelt schon früh literarische Ambitionen. In späteren Jahren bezeichnet er seine Schulzeit im Rückblick als stumpfsinnig. 1893, noch als Schüler, wird er Mitherausgeber der Zeitschrift »Frühlingssturm. Monatsschrift für Kunst, Literatur und Philosophie.«

In der Obersekunda verläßt er die Schule und siedelt wenig später nach München um. Dort tritt er 1894, gezwungen durch seinen Vormund Krafft Tesdorpf, eine Stelle als Volontär in einer Feuerversicherungsgesellschaft an. Die Bürotätigkeit empfindet er als langweilig. Er veröffentlicht seine erste Novelle »Gefallen« in der literarischen Zeitschrift »Die Gesellschaft«. Dort war schon ein Jahr zuvor sein Gedicht »Zweimaliger Abschied« abgedruckt worden. Angespornt durch diesen Erfolg, beschließt er, journalistisch tätig zu werden. Er kündigt seine Arbeitsstelle bei der Feuerversicherung und nimmt 1895 ein Studium an der Technischen Hochschule in München auf, das er nach einem Jahr jedoch wieder abbricht. 1896 wird er volljährig und erhält von nun an monatlich 180 Goldmark aus den Erträgen des angelegten Erbgeldes. Dadurch wird er in die Lage versetzt, sorglos als freier Schriftsteller leben zu können. Sein älterer Bruder Heinrich Mann ist inzwischen Herausgeber der nationalkonservativen Zeitschrift »Das Zwanzigste Jahrhundert«, und Thomas Mann steuert für diese Zeitschrift Beiträge bei.

Von 1896 bis 1898 hält er sich gemeinsam mit seinem Bruder Heinrich in Italien auf und beginnt mit der Arbeit an seinem wohl berühmtesten Roman »Buddenbrooks«. Heinrich ist ihm bei der Konzeption behilflich. 1898 wird er Redakteur des »Simplicissimus« und veröffentlicht ein Novellenbändchen mit dem Titel »Der kleine Herr Friedemann«.

Im Jahr 1900 tritt er seinen Militärdienst beim Münchner Leibregiment an. Seine Dienstzeit endet drei Monate nach Antritt wegen Dienstuntauglichkeit. Die  Erinnerungen an diese Ereignisse hat Thomas Mann dann später in seinem Romanfragment »Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull« verarbeitet. Ein Jahr später, 1901, erscheint sein Roman »Buddenbrooks, Verfall einer Familie«, in zwei Bänden. Das Buch ist zunächst kein Erfolg. In Thomas Manns  Geburtsstadt Lübeck lösen die »Buddenbrooks« jedoch einen Skandal aus, denn viele angesehene Bürger finden sich darin unter fiktiven Namen nicht immer sehr schmeichelhaft beschrieben. Es zirkulieren zu dieser Zeit in Lübeck Listen, auf denen verzeichnet ist, welche Romanfigur welchen Lübecker Bürger zum Vorbild hat. Die Tatsache, daß Thomas Mann immer wieder Freunde und Bekannte zum Vorbild seiner literarischen Figuren genommen hat, trug ihm zahlreiche Feindschaften ein. Erst als der Roman »Buddenbrooks« zwei Jahre später in zweiter Auflage als einbändige Ausgabe erscheint, stellt sich der Erfolg ein, und es gelingt Thomas Mann der literarische Durchbruch mit zeitlicher Verzögerung.

1903 veröffentlicht Thomas Mann sechs Novellen unter dem Titel »Tristan«. Zu dieser Zeit kommt es zu Streitigkeiten und Auseinandersetzungen mit seinem Bruder Heinrich. 1905 heiratet er Katharina (Katia) Pringsheim, die er 1904 kennengelernt hat, und im selben Jahr wird seine erste Tochter Erika geboren. Durch seine Heirat verschafft sich Thomas Mann Zugang zu den ersten Kreisen Münchens. Seine Verlobungs- und Brautzeit verarbeitet er später in seinem Roman »Königliche Hoheit«. Thomas Mann entscheidet sich mit seiner Heirat für ein geregeltes bürgerliches Leben und hofft, auf diese Weise seine latenten homosexuellen Neigungen überwinden zu können.

1906 wird sein Sohn Klaus geboren, und es erscheint »Fiorenza«. Drei Jahre später, 1909, veröffentlicht er den Roman »Königliche Hoheit«, und sein Sohn Golo wird geboren.

1910 beginnt er mit der Arbeit an seinem Roman »Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull«, den er nicht vollendet hat. Seine Schwester Carla begeht Selbstmord, und Tochter Monika wird geboren.

1912 erscheint »Der Tod in Venedig«, und 1913 beginnt Thomas Mann mit der Arbeit am »Zauberberg«. Anlaß ist die Lungenkrankheit seiner Frau Katia, die einen Aufenthalt im Schweizer Luftkurort Davos notwendig macht. Vollendet wird der »Zauberberg« jedoch erst 1924.

1914 beginnt der Erste Weltkrieg. Das Volk jubelt, zahlreiche Schriftsteller lassen sich von der Begeisterung anstecken. Thomas Mann bleibt skeptisch und fürchtet, die Folgen des Krieges könnten für ihn und seine Familie die Verarmung bedeuten.

1915 erscheint »Friedrich und die Große Koalition. Ein Abriß für den Tag und die Stunde.« 1918 wird seine Tochter Elisabeth geboren, und es erscheinen Thomas Manns »Betrachtungen eines Unpolitischen« – eine kaisertreue Schrift, geschrieben am Ende der Kaiserzeit. Thomas Mann hat später diese Schrift erheblich distanzierter gesehen und demokratische Überzeugungen vertreten.

1919 erscheinen »Herr und Hund« sowie »Gesang vom Kindchen«. Sein Sohn Michael wird geboren.

1922 veröffentlicht er den ersten Teil des Romans »Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull« und hält die Rede »Von deutscher Republik«.

1923 stirbt seine Mutter Julia. Ein Jahr später, 1924, erscheint der Roman »Der Zauberberg« und wird auf Anhieb ein großer Erfolg.

1926 veröffentlicht Thomas Mann »Unordnung und frühes Leid«. In diesem Jahr beginnt er mit der Arbeit an seinen Josephs-Romanen.

1927 begeht seine Schwester Julia Selbstmord.

1929 erhält Thomas Mann den Nobelpreis für Literatur, bedingt durch eine Intrige allerdings nicht, wie er erwartet hatte, für den »Zauberberg«, sondern für den Roman »Buddenbrooks«. Der Nobelpreis kommt nicht unerwartet. Schon einige Jahre vorher hatte es Spekulationen darüber gegeben, daß Thomas Mann ausgezeichnet werden würde. Das Preisgeld beträgt 200.000 Reichsmark. Ein Journalist rät ihm in Stockholm, aufgrund der sich anbahnenden politischen Umwälzungen in Deutschland das Geld außerhalb Deutschlands zu deponieren, doch Thomas Mann versteht die Warnung nicht oder nimmt sie doch zumindest nicht ernst.

Das Ende der Weimarer Republik bahnt sich an. Der nationalsozialistische Ungeist greift immer weiter um sich. Thomas Mann ist zu dieser Zeit überzeugter Demokrat und Mitglied der liberaldemokratischen »Deutschen Demokratischen Partei«. Er setzt sich für die Werte der Demokratie ein und hält 1930 seine »Deutsche Ansprache. Ein Appell an die Vernunft«. Im selben Jahr erscheint »Mario und der Zauberer«.

1933 emigriert Thomas Mann nach einer Auslandsreise, von der er nicht nach Deutschland zurückkehrt, auf Anraten seiner Kinder Erika und Klaus mit seiner Familie zunächst nach Sanary-sur-Mer, später dann nach Küsnacht bei Zürich. Reste des Nobelpreis-Geldes und einiges Barvermögen kann in die Schweiz transferiert werden, so daß Thomas Mann mit seiner Familie nicht in Not gerät. Das Haus in München, ein Großteil des Vermögens und verschiedener Besitz sind allerdings unrettbar verloren. »Joseph und seine Brüder. Die Geschichten Jaakobs« erscheinen.

Von der Bücherverbrennung sind die Werke Thomas Manns zwar nicht betroffen, aber da er als überzeugter Demokrat und entschiedener Gegner des Nazis-Regimes bekannt ist, kehrt er nicht nach Deutschland zurück. 1934 erscheint »Joseph und seine Brüder. Der junge Joseph«. Thomas Mann macht seine erste Reise in die USA.

1936 veröffentlicht Thomas Mann »Joseph und seine Brüder. Joseph in Ägypten«. Die deutsche Staatsbürgerschaft wird ihm aberkannt.  Thomas Mann wird tschechischer Staatsbürger. Zwei Jahre später, 1938, übersiedelt Thomas Mann in die USA und wird Gastprofessor an der Universität Princeton. 1939 beginnt der Zweite Weltkrieg und löst weltweite Bestürzung aus. Thomas Mann reagiert 1940 darauf mit monatlichen Radiosendungen, die nach Deutschland ausgestrahlt werden. Er findet nur wenige Zuhörer. Im Jahr 1939 erscheint der Roman »Lotte in Weimar«. Ein Jahr später zieht Thomas Mann nach Kalifornien um. Ein weiteres Jahr später beginnt er dort mit dem Bau eines eigenen Hauses in Pacific Palisades, wo er von 1942 bis 1952 wohnen bleibt.

1942 erscheinen die Reden »Deutsche Hörer! 25 Radiosendungen nach Deutschland«.

1943 veröffentlicht er »Joseph und seine Brüder. Joseph, der Ernährer«. Ein Jahr später wird er amerikanischer Staatsbürger.

1945 erscheint »Deutschland und die Deutschen. Deutsche Hörer! 55 Radiosendungen nach Deutschland«.

Dann erkrankt er an Lungenkrebs. 1946 wird er in Chicago operiert.

1947 reist er erstmals seit der Emigration wieder nach Europa. »Doktor Faustus. Das Leben des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn, erzählt von einem Freunde« erscheint – eine sehr subtile Auseinandersetzung mit den geistigen Wurzeln des Nationalsozialismus und den Ursachen der deutschen Tragödie.

1949 hält er Reden zum Goethe-Jahr. Sein Bruder Viktor stirbt, sein Sohn Klaus begeht Selbstmord. Thomas Mann veröffentlicht »Die Entstehung des Doktor Faustus. Roman eines Romans«.

Ein Jahr später stirbt sein Bruder Heinrich Mann.

1951 erscheint der Roman »Der Erwählte«, eine ironische Adaption der frommen Gregorius-Legende, in der es um Schuld und Gnade geht.

Ein Jahr später kehrt Thomas Mann zurück nach Europa. Er läßt sich in der Schweiz nieder und reist von dort aus regelmäßig nach Deutschland.

1953 veröffentlicht er »Die Betrogene«, die tragische Geschichte einer alternden Frau. 1954 erscheinen die  kräftig umgearbeiteten und erweiterten »Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull. Der Memoiren erster Teil«. Thomas Mann kauft ein Haus in Kilchberg bei Zürich.

1955 veröffentlicht er die Schiller-Reden »Versuch über Schiller« und wird Ehrenbürger der Stadt Lübeck. Im Spätsommer diagnostiziert man bei ihm eine Beinvenenthrombose. Thomas Mann wird ins Krankenhaus eingewiesen, wo er zunehmend schwächer wird. Am 12. August stirbt er im Kantonspital Zürich.

Thomas Mann hat zeit seines Lebens Tagebuch geschrieben. Gemäß seiner Verfügung durften die umfangreichen Tagebuchaufzeichnungen erst zwanzig Jahre nach seinem Tod veröffentlicht werden. Die Herausgabe der Tagebücher startete dann  anläßlich des hundertsten Geburtstages Thomas Manns im Jahr 1975. Sie gelten als wichtiges Dokument, insbesondere im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte seiner Werke.