Jürgen Schwalm
»Erst Bücher, dann Menschen. Zur Geschichte der Bücherverbrennungen«
80 Seiten – Preis 6,95 €
ISBN 978-3-86672-022-0
… Wir wollen nicht überbewerten. Aber dennoch: Was Voß wie eine übermütige Spielerei beschreibt, war ein Drohfeuer der Intoleranz. Die Göttinger beschränkten sich noch auf die Schriften und das Bildnis Wielands. Doch schon ein Jahr vor diesem Autodafé hatte man Wieland und Voltaire in einem Trinkspruch „mit vollen Gläsern“ den Tod gewünscht: „Es sterbe der Sittenverderber Wieland, es sterbe Voltaire!“
Das klingt bereits wie ein nationalsozialistischer Feuerspruch. Auch dem Göttinger Hainbund war sehr daran gelegen, den Stubenbrand zum Flächenbrand zu propagieren. Durch solche Aktionen wurde der Bund in Deutschland bekannt und fand nicht nur Freunde.
X.
Habent sua fata libelli: Bücher haben ihr Schicksal. Diese Aussage ist viel zu passiv. Das programmatische Wort kann die Weichen des Schicksals stellen, und alle Bücherverbrennungen erfolgen aus Furcht vor der Macht der Bücher. Derart motivierte Bücherverbrennungen sind nicht selten selbst literarische Themata.
Aus neuerer Zeit sei Umberto Ecos „Il nome della rosa (Der Name der Rose)“ erwähnt. Der bald nach seinem Erscheinen sehr erfolgreich verfilmte Roman endet mit dem furiosen Brand einer Klosterbibliothek, der inszeniert wurde auch hier aus Furcht vor der gewaltigen Sprengkraft des geschriebenen Wortes.
Und ein berühmtes Beispiel aus alter Zeit und zugleich aus der Weltliteratur finden Sie im Don Quixote (1605-1615) von Cervantes.
Sie erinnern sich: Die Lektüre von Ritterromanen hat die Phantasie eines ältlichen Landjunkers so beflügelt, dass er glaubt, selbst zum „Fahrenden Ritter“ berufen zu sein. Er nimmt einen „musikalischen, fremdtönenden Namen“ an und bricht eines Morgens auf, um als Beschützer der Armen, Witwen und Waisen jegliches Unrecht aus der Welt zu schaffen. Doch schon die ersten Bewährungsproben misslingen; jämmerlich verbläut, wird er von einem Nachbarn heimgebracht. Seine Freunde sind sich einig, dass ihm seine verfluchten Ritterbücher den Verstand verrückt haben. Sie beschließen, die Schundromane einem gründlichen „Literaturgericht“ zu überantworten und „zum Feuer“ zu verdammen, was denn auch geschieht.
Zitat: „In dieser Nacht verbrannte und vertilgte die Haushälterin alle Bücher, die sie im Hofe und Hause antraf, und so sind wohl manche umgekommen, die verdient hätten, in ewigen Archiven verwahrt zu werden, aber das Schicksal und die Trägheit des Richters vergönnte es ihnen nicht, und so erfüllte sich an ihnen das Sprichwort, dass die Gerechten zugleich mit den Sündern büßen müssen.“
Don Quixote ist die parodistisch gefärbte Satire auf den Ritus der Bücherverbrennung; diese Variante gibt es eben auch.
In „Don Quixote“ wird mit Witz und Sarkasmus die irre Logik bzw. Unlogik derjenigen gegeißelt, die sich anmaßen, eine Auswahl der Bücher treffen zu dürfen, die auf den Scheiterhaufen gehören. Mit den stumpfen Waffen des angeblich gesunden (in Wirklichkeit aber ebenso irregeleiteten Menschenverstandes) kämpfen die Ritter der Vernunft gegen Don Quixote, der im Grunde der wahre Ritter ist im Reich der Fantasie, und deswegen können seine Richter ihm letztlich auch nichts anhaben, selbst wenn sie ihm die Quelle seiner Inspirationen, seine Bücher, nehmen; von nun an entwickelt und errichtet er sich sein Reich durch eigene Inspiration.