Jürgen Schwalm
»Eine Reise um das Herz – Der Schriftsteller Waldemar Bonsels (1880 -1952)
54 Seiten, Preis 5,95 €
ISBN-13: 978-3-86672-026-8
Erfolg kann auch bei Schriftstellern ein Kuckucksei sein. Ist der Vogel erst einmal ausgebrütet, wirft er alle anderen Geisteskinder aus dem Nest, lässt sich großfüttern, fliegt und flattert – wo und wie er will – herum, und überall aus dem Blätterwald erschallt sein Kuckuck, Kuckuck, krieg mich, hier bin ich. Da mag nun der Autor herumrennen und mit anderen Ködern aus seiner Werkstatt locken; er kann den frechen Flattergeist nicht mehr einfangen. So erging es auch Waldemar Bonsels.
Auf meine Frage nach dem Schauspieler Dirk Bach, der viele Jahre als Seriendarsteller in Lukas Triumphe der Albernheit feiern konnte, erhielt ich von einem anderen Komiker die herrliche Auskunft: Dirk Bach gibt es an sich gar nicht unter diesem Namen; der heißt vielmehr Lukas und ist eine Fledermaus.
Wie könnte demnach die Antwort eines boshaften Literaturwissenschaftlers auf die Frage nach Bonsels lauten? Waldemar Bonsels war eigentlich eine Biene und hieß Maja.
So ist das mit dem Erfolg und mit dem Ruhm: er kann sich verselbstständigen und die Persönlichkeit des Verfassers wird mit seinem Produkt identifiziert, Bonsels also mit seinem Werk Die Biene Maja und ihre Abenteuer.
Maja hatte wie jede Biene einen giftigen Stachel, und sie summte ja durchaus nicht nur für die Kinder herum, sondern vor allem für die Erwachsenen. Doch gerade die wollten die Biene Maja von Anfang an nicht ernst nehmen. Deswegen brauchte sie den Stachel nie einzusetzen und blieb bis heute am Leben, obgleich sie inzwischen steinalt ist, denn sie wurde ja lange vor Asterix und Obelix gezeugt.
Genauer gesagt: Sie schlüpfte im Jahre 1912 in die Welt. Der Geburtshelfer Waldemar Bonsels war da 32 Jahre alt.
Er hatte, wozu sich ja viele Schriftsteller bekennen, schon in frühen Jahren so manche Feder stumpf geschrieben. Das erste Produkt, das er seiner Schwester Agnes, Anni genannt, widmete, hatte den Titel Château Corbeau und war eine spannend erzählte Schauergeschichte mit Gift und Mord, Liebe und Verrat, unterirdischen Gängen und rächenden Gespenstern. Aber diese Mär können wir ihm verzeihen, war doch Waldemar damals erst fünfzehn.
Dass er aber mit neunundzwanzig Jahren noch immer nicht seine literarische Pubertät überwunden hatte und eine Novelle mit dem kreischenden expressionistischen Titel Blut veröffentlichte, das war schon riskant. Ein junges Mädchen gerät darin in den Seelenkonflikt, sich zwischen irdischer und himmlischer Liebe entscheiden zu müssen. Am Ende ist sie von der irdischen Liebe im dritten Monat schwanger und stirbt in himmlischer Liebe.
Da war es denn doch besser, dass Bonsels sich für seine Biene Maja von Natur-Impressionen seiner Kindheit inspirieren ließ. Freilich betrat er da auch kein Neuland.